Dienstag, 24. März 2020

Tag 4 der Ausgangssperre. Tag 4 mit der ganzen Familie im Haus. Der Kühlschrank ist schon wieder leer, wir haben alle zu viel Zeit zum Essen. Vielleicht hätte ich doch auch ein bisschen hamstern sollen. Ich tigere zwischen Schreibtisch und Esstisch hin und her - und entscheide mich für den Schreibtisch.

Der macht zumindest nicht dick.

Ich setze mich an mein Handy und lese - die Losung des Tages. Immerhin bin ich in der Pflicht - heute bin ich dran mit schreiben.

„Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädig in allen seinen Werken.“ (Psalm 145, 17) Aber ich bin nicht so recht in Stimmung für so viel theologische Richtigkeiten.

Stattdessen denke ich darüber nach, wie schnell Absurdität zum gelebten Normalzustand wird. Hoffen meine Kinder auf baldige Treffen mit Freunden, sage ich: Das geht erst wieder, wenn die Ausgangssperre vorbei ist. Ein Satz, von dem ich nie gedacht hätte, ihn im Leben auch nur einmal sagen zu müssen. Und doch ist es Tag 4 dieser Ausgangssperre - und allmählich macht sich Normalität breit. Der Ausnahmezustand wird zur Routine.

Ich lese den Text nochmal: „Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädig in allen seinen Werken.“

Was ist eigentlich Gnade?

Ist es Leben in sorgloser Freude? Leben ohne Angst?

Dann ginge es ja gerade nicht besonders gnädig auf dieser Welt zu.

Denn im Moment, scheint mir, brauchen wir die gnadenlose Angst, um unsere Gesellschaft am Leben zu erhalten. Wie sonst könnten wir all diese Einschränkungen und Begrenzungen aushalten, wenn uns nicht die Angst antriebe - um die Familie, die Nachbarn? Und es bleibt ja nicht bei der Angst um die anderen. Die Angst um das eigene kommt hinzu - vor Kurzarbeit. Vor Arbeitslosigkeit, vor dem Verlust der eigenen Existenz… Die Nachrichten sind voll mit Angstmachern.

Aber nur mit Angst können wir auch nicht leben - und schon gar nicht überleben. Sie muss sich mit unserer Hoffnung die Waage halten, sonst gilt: Angst essen Seele auf.

Unsere Seele aber ist noch gesund. Zumindest habe ich den Eindruck, wenn ich mit Menschen aus der Gemeinde rede, mit ihnen telefoniere oder meine Whatsapp-Nachrichten lese. Die Angst ist da - aber die Zuversicht ist stärker. Noch. Das ist Gnade.

„Darum lassen wir auch nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht.“ (Kolosser 1, 9)

Dass die Gnade nicht von uns weiche.

Stephanie Wegner