12. Sonntag nach Trinitatis - 30. August

Predigt zu 1 Kor 3, 9-17

Jetzt ist er vorbei, der Urlaub. Zumindest für uns. Eine insgesamt merkwürdige Angelegenheit, dieses Jahr. 
Zum einen wegen Corona - Bei allem haben wir überlegt: können wir dahin? Ist es nicht zu voll? - um dann eigentlich jedes Mal zu sagen: Wir lassen es lieber. 
Also: keine Städte, keine Museen, keine Sehenswürdigkeiten. Nur Landschaft.
Die war auch schön - aber es fehlte so ein bisschen das Bewusstsein dafür, wo wir eigentlich sind. Das, was ich im Urlaub am meisten mag - das Eintauchen in eine andere Sprache, das Gefühl, Land und Leute sozusagen von innen heraus kennenzulernen - das war überhaupt nicht da. 
Ein bisschen war es so, als fehlte unserem Urlaub der Unterbau, die Bodenhaftung.
Und das lag auch - wörtlich genommen - an unserer Unterkunft.
Wir waren nämlich mit dem Wohnmobil unterwegs. Zum zweiten Mal.
Und wir hätten es eigentlich besser wissen müssen.
Kennen Sie diese Werbung für Camperfahrzeuge? Die mit den lachenden Menschen auf weiten offenen Straßen, die an einsamen Buchten und auf wild-romantischen Dünen mit ihrem Fahrzeug Freiheit und Abenteuer genießen?

Bei uns lief das so ab:
Ursprünglich geplant für die Weiten der norwegischen Landstraßen, sind wir jetzt auf schweizerischen Serpentinen gekrochen und haben uns zwischen französische Campingplatzhecken gequetscht. 
Eine fahrbare Unterkunft, mit der wir trotzdem nicht wirklich mobil waren. Einmal am Campingplatz angekommen, saßen wir fest - oder mussten eben alles wieder einräumen, verstauen, festzurren, bevor wir für drei Stunden einen Ausflug machen konnten. Mussten zum Ausparken hin- und herrangieren, um das ganze beim Einparken vier Stunden später zu wiederholen. Nur um dann am Ausflugsziel festzustellen, dass es für die Parkplätze Höhenbeschränkungen gibt, die ganz offensichtlich von uns gesprengt wurden.

Fahrbarer Untergrund ohne Fundament - und doch saßen wir auf dem Campingplatz fest. Das Land haben wir vor allem vom Autofenster aus erlebt, die Leute gemieden, so gut es ging - um Ansteckung zu vermeiden.
Freiheit fühlt sich anders an. 

Und besonders stabil war das Wohnen auch nicht - jeder Schritt brachte den Wagen zum Wackeln. Ein festes Fundament wäre manchmal sehr wünschenswert gewesen.

So wie die Häuser, die wir im Vorbeifahren gesehen haben - die vertrauten Stein- und Fachwerkhäuser süddeutscher Dörfer. Die putzig-hübschen Schweizer Hütten mit ihrer Mischung aus Stein unten und Holz oben - bewährte Bauweise über die Jahrhunderte hinweg.
Die modernen Fertigbungalows französischer Vororte - und die historischen Stadthäuser in den Gassen der Kleinstädte im Süden.
Auch ohne die Sprache, ohne den Dialekt zu hören, konnten wir an den Häusern erkennen, in welchem Land, in welcher Gegend wir uns gerade befanden. Deutschland, Schweiz, Frankreich - überall herrschen unterschiedliche Baustile, werden unterschiedliche Materialien verwendet.

„Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden.“

 Was aber heißt das jetzt für die einzelnen Häuser? Ist das eine besser als das andere, das aus Holz und Stroh minderwertiger als das aus Stein? 

In den USA drohen in den nächsten Wochen wieder Tropenstürme, die Küsten unsicher zu machen. Die Bilder sind uns jedes Jahr präsent: eingestürzte Holzhäuser, abgedeckte Dachpappe. Stein und Ziegel scheint sicherer, stabiler, hochwertiger zu sein. 
Aber auch bei uns decken Orkane Dächer aus Ziegel ab, brechen steinerne Hausfassaden ein, weil der Untergrund nachgibt, die Wände absacken.
Und der neue Kindergarten in der Birkenstraße ist aus Holz gebaut - ein freundlicher warmer Bau, mit einem wunderbaren Raumklima.

Wir bauen nach unseren Bedürfnissen und Vorlieben - aber auch nach unseren Möglichkeiten. Versuchen, unser Ideal vom Haus mit den Mitteln der Realität zu erreichen - oder ihm so nahe zu kommen wie möglich.
Meistens bleiben wir nicht bei einem Material - sondern verwenden mehrere, verschiedene.
Die sich ergänzen, sich gegenseitig stützen und einander zur Geltung bringen. Und am schönsten finde ich persönlich die Fachwerkhäuser - denn bei ihnen wird genau das nach außen sichtbar und deutlich. Da wird nichts vertuscht oder hinter Blenden versteckt. Stroh, Holz und Stein haben ihren Platz und der ist gut zu sehen und macht genau das Besondere eines jeden Hauses aus.

Bei uns in der Gemeinde ist das genauso. So wie es verschiedene Materialien zum Hausbau gibt, sind es unterschiedliche Menschen, die Gemeinde bauen: 
Da gibt es die warmherzigen, die wie warmes Holz ein Gefühl von Sicherheit und Gemütlichkeit vermitteln.

Dann sind da die Standfesten, deren Glauben auf festen Stein gegründet ist und die nichts erschüttern kann, die in jeder Krise standhaftes Beispiel für die Gemeinde sind.

Und es gibt die, die sich alleine zu schwach fühlen - die Holz und Stein an ihrer Seite brauchen, um aufrecht zu stehen. Die sich wie Strohhalme im Wind fühlen, weil ihr Glaube gerade kräftig durcheinander geweht wird. Oder die das Gefühl haben, es sei mal wieder nur ein Strohfeuer, das in ihnen lodert und das sie festhalten möchten. 

Wir alle zusammen sind Baumeister unserer Gemeinde, unserer Kirche. Und es braucht uns alle. Denn auch das schönste Fachwerkhaus kann nur dann gebaut werden, wenn alle Materialien vertreten sind.
Wir halten und stützen uns gegenseitig - und holen so im Idealfall das Beste auseinander heraus. 

„Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“

Wir beten und hören gemeinsam - und stützen einander so im Glauben. 
Wir glauben füreinander, damit auch Strohfeuer nicht in sich zusammenfallen, sondern weiter schwelen können. Wir beten füreinander, dass der Lehm nicht vertrocknet, sondern bei uns allen immer wieder gewässert wird und das Haus zusammenhält.
Und da muss niemand Angst haben, dass er nicht genügt oder sein Material nicht reicht. Denn vergehen werden nur unsere Werke, nur unser Material - aber nicht wir selbst. Wir werden gerettet.

Denn wir stehen  - bei aller Verschiedenheit, bei aller Stärke und jeder Schwäche - alle auf dem einen gemeinsamen Fundament Jesus Christus. Der ist stark genug, uns alle zu verbinden und miteinander am Leben zu halten. Vor ihm sind wir alle gleich - egal, aus welchem Material wir sind und mit welchem Material wir bauen. Dabei ist dieser Jesus kein Gleichmacher. Er schert uns nicht alle über einen Kamm. Sondern er sieht unsere Nöte und Ängste. Unsere Bedürfnisse und das, was uns bewegt. Er sieht jeden einzelnen von uns an - und richtet auf, was in uns verkrümmt ist. Egal, was die anderen dazu sagen. 
Er sieht Gold, Silber, Edelsteine, Holz und Stroh - und zugleich durch alles hindurch. Bis in unser Herz hinein. Und wenn ich doch nichts habe, was vor ihm bestehen bleibt - und wenn auch alles an mir aus Stroh ist und sich in Rauch auflöst - dann hält mich doch sein Blick fest. Und verwirft mich nicht - sondern richtet mich auf. 
„Und ich werde gerettet werden wie durch ein Feuer hindurch.“

Das ist unser Fundament - der feste Boden, auf dem wir stehen. Der unseren Füßen Raum gibt und Halt.
Mit Jesus Christus als Grundlage sind wir in echter Freiheit unterwegs. Miteinander und aufeinander zu. Und auf sicherer Bahn. Auch wenns mal wackelig wird. 

„Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

Amen.