7. Sonntag nach Trinitatis - 26. Juli

Sonntag, 26. Juli /// Predig zu Hebr 13, 1-3

 

 

Die letzte Woche war voll mit Abschieden.

Die Vorschulkinder haben Abschied genommen vom Kindergarten.

Die  Viertklässler haben Abschied genommen von der Grundschule.

Wir haben Abschied von Ute Fürle, einem lieb gewordenen und altvertrauten Mitglied unserer Gemeinde.

Abschiede überall.

 

Und bei jedem Abschied war von Engeln die Rede. Von Schutzengeln. Von Engeln, die uns im Leben begleiten. Von den Engeln, die uns behüten, dass unser Fuß nicht an einen Stein stoße.

Damit es ein guter Abschied wird, ein leichterer Abschied. Und damit wir nicht im Abschied nehmen stehen bleiben, sondern weiter gehen können. Hinein in die Zukunft. Unter gutem Schutz und guter Hut.

 

Dabei sind Engel nicht die putzigen geflügelten Wesen mit den aufgeblasenen Bäckchen - sondern ganz handfeste Boten Gottes - manchmal sogar sein Sprachrohr. Wo immer Engel sind, ist Gott ganz nah - und die Grenze zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch ganz durchlässig. So wie bei Jakobs Traum von der Himmelsleiter - die habe ich den Kindern im Kindergarten erzählt. Eine Geschichte vom Abschied - aber auch von einem Neuanfang. Von einem Willkommen im Neuen.

 

Geschichte lesen (in Auszügen)

 

Jakob hat allen Grund, sich von Gott verlassen zu fühlen - er ist ein Betrüger, ein Lügner. Hat sich den Segen des Vaters durch eine Lüge erschlichen und seinen Bruder um dessen Erstgeburtsrecht betrogen. Sein Weg ins Neue ist eine Flucht vor dem Alten. Und doch geht er auch diesen Weg nicht allein. Eine wahrlich traumhafte Erkenntnis, die ihm da zukommt. Und sie wird vermittelt durch Engel.

 

Die Engel schaffen die Verbindung zwischen Mensch und Gott - und mit ihnen steigt das Versprechen zu uns herab: Ich will mit dir sein - egal was vorher war und egal, wo du ab jetzt hingehst. Du bist mir willkommen, Menschenkind - und ich halte dich in meiner Hut.

 

Für dieses Versprechen braucht Gott keine Engel - glaube ich. Aber vielleicht hat Jakob sie gebraucht - um seine Augen und Ohren zu öffnen für die Anwesenheit Gottes. Vielleicht brauchen wir sie ab und zu, um unsere Augen und Ohren zu öffnen für unsere Beziehung zu Gott. Denn die ist manchmal so merkwürdig unkonkret.

Gott ist irgendwo - im besten Fall. Aber wo finde ich ihn ganz konkrekt in meinem Leben? Wo kann ich ihn spüren, sehen, hören? Wo kann ich sicher sein, dass es mehr ist als ein tröstendes Hirngespinst in dunklen Nächten? Oder eine wahnhaft vage Hoffnung in tiefster Verzweiflung?

 

Der Predigttext von heute gibt eine Antwort darauf - im Hebräerbrief 13. In seinen ganz konkreten Anweisungen an uns:

Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.

 2 Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.

 3 Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und an die Misshandelten, weil auch ihr noch im Leibe lebt.

 

Die Gastfreundschaft nicht vergessen - das klingt erstmal ganz gut, oder?

Dabei ist das ja so eine Sache - das Willkommen heißen. Und das mit der Einladung an den eigenen Tisch. Ins eigene Leben.

Gastfreundschaft ist immer ein Wagnis: Wem öffne ich meine Türen? Wen lasse ich an meinen Tisch, wen lasse ich teilhaben an meinem privaten Leben?  Wem gebe ich Einblick in Bereiche, in denen ich verletzlich bin? Sind das nicht vor allem die, die wir kennen - und denen wir vertrauen?

 

Wen würden Sie denn zu sich nach Hause einladen?

 

Freunde? - Sofort und jederzeit!

Familie? - Da wird es schon schwieriger - könnte man aber noch mit sich reden lassen; mit Ausnahme vielleicht der Schwiegermutter.

Und sonst? Fremde? - Aus eigener Erfahrung weiß ich: Ich bin oft eingeladen, Platz zu nehmen, zu essen, zu trinken, mich wohlzufühlen. Vielleicht, weil es sich nicht vermeiden lässt, wenn ich schon vor der Tür stehe. Bürgermeister und Pfarrer haben ja die merkwürdige Angewohnheit, meistens unangemeldet zu kommen und erweisen sich oft als sehr sitzfest. Was bleibt einem da schon anderes übrig??

 

Die Gastfreiheit, die Gastfreundschaft, von der hier die Rede ist, heißt im Origina: Xenophilia - wörtlich: die Liebe, die Freundschaft zu Fremden.

Die Gastfreundschaft im Predigttext heißt im Original: Philoxenia - die Liebe zum Fremden.

Die liebevolle Für-Sorge für den Fremden.

 

Denen gegenüber, die wir nicht kennen - und trotzdem beherbergen sollen. Denen gegenüber, die nicht Mitglied unserer Familie sind.

Das ist die Liebe, die auch Jesus gegenüber Fremden gezeigt hat - wenn er sich zu dem von allen verachteten Zöllner Zachäus an den Tisch setzt.

Das ist die Fürsorge, die Gott Jakob gegenüber zeigt - wenn er Jakob, den Lügner, Jakob, den Betrüger Kraft und Mut schöpfen lässt durch seine Verheißung und Begleitung.

 

Und es ist die Liebe, die von uns gefordert ist: den Fremden als Nächsten zu lieben. Ihn nicht als Bedrohung vor der Tür stehen zu lassen, sondern ihn als zukünftigen Freund unser Leben bereichern zu lassen.

Und ihm zu zeigen, dass wir als Gastgeber die christliche Liebe, von der wir soviel reden, auch am eigenen Tisch praktizieren und im eigenen Leben. Auch wenn wir nicht immer jeden mögen, miteinander streiten und nicht immer alles im Reinen ist.

 

Gastfreundschaft ist immer ein Wagnis - aber offenbar eines, dass sich lohnt. Denn:

Gott ist da, wo wir Menschen aufnehmen. Sie willkommen heißen. Sie einlassen in unseren innersten Bereich. Das Geheimnis einer solchen Gastfreundschaft: sie ist der Beginn einer wunderbaren neuen Beziehung. Die nicht bestimmt ist von persönlichen Vorlieben und Abneigungen - sondern von Gottes Gastfreundschaft uns gegenüber.

 

Gott ist da, wo wir einander näherkommen - wo wir uns aufeinander einlassen und miteinander leben. Denn wo immer wir Leben miteinander teilen, leben wir ein Abbild von Gottes Liebe. Wo immer wir miteinander leben und lieben, ist Gott besonders dicht an uns dran.

 

Ganz konkret und ganz bewusst da, wo wir uns am nächsten sind - am eigenen Tisch, im Teilen der eigenen Fülle.

Wie bei der Taufe. Denn da teilen wir aus unserer Fülle - teilen unsere Gemeinschaft, dass sie größer wird und bunter und lebendiger.

Heute teilen wir mit dir, Lucy - und sagen zu dir: Herzlich willkommen. Schön, dass du da bist. Schön, dass du dich auf uns einlässt.

Schön, dass wir dich beherbergen dürfen.

Und heute teilt Gott aus seiner Fülle - nämlich seinen Segen.

Und sein Versprechen an dich - und an uns alle: Ich habe meinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

 

Amen.