2. Sonntag nach Epiphanias - 17. Januar 2021

Predigt zu Joh 2, 1-11

Wissen Sie noch, wie das war - damals?

Als das Leben noch durch seine Feste bestimmt wurde - und nicht durch Ausgangssperren und Kontakbeschränkungen?

Als wir noch gefeiert haben - Geburtstage, Hochzeiten?

Endlich ist er da - der große Tag!

Wieviel Aufregung und Unruhe, wieviel Planen und Organisieren, wieviel Sehnen  war da im Vorfeld.

Dass auch alles klappt, dass das Essen gelingt, dass die Gäste alle kommen, keiner verhindert ist und niemand krank wird.

Und jetzt ist es endlich soweit - das Fest beginnt.

Das Brautpaar fließt über vor Liebe für einander und alle Welt.

Die Schwiegermütter strahlen - eine gute Partie haben die Kinder da gemacht.

Würziger Bratenduft durchzieht den Raum, der Wein funkelt im flackernden Licht, die köstlichsten Spezereien sind dargeboten.

Die Gäste genießen, entspannen sich, feiern die Hochzeit, feiern das Leben.

Eine wahre Hoch-Zeit!

Der Alltag ist weit entfernt, seine Regeln und Verbote sind vergessen, das Zusammensein ist unbeschwert und überstrahlt alles andere.

Das Leben ist ein Fest.

Und so soll sie werden, die Zukunft. Das wünschen alle - sich und dem Brautpaar.

Doch die gute Stimmung kann schnell umschlagen - denn der Wein geht zur Neige.

Aber es nützt alles nichts - die Krüge sind leer - und die Becher der Gäste werden es auch bald sein. Dann heißt es: Wasser trinken.

Eine Horrorvorstellung für jeden Gastgeber - und ein echter Killer für jede Feier.

Nur ein Wunder kann diese Hochzeit noch retten.

Manchmal habe ich das Gefühl, auch unsere Feste kann nur noch ein Wunder retten.

Und dabei sind Feste sind so wichtig. Sie sind Antrieb im täglichen Einerlei. Leuchtpunkte am Horizont unserer Jahresplanung. Sie fassen alles zusammen, was uns hilft, Alltag und Krisen zu überwinden. Feste sind Teil unserer Bewältigungsstrategie. Allein die Aussicht auf Zusammensein mit Freunden und Familie, auf das Miteinander, das gemeinsame Lachen und Erzählen gibt uns Kraft, den Alltag zu meistern. Ein gelungenes Fest wirkt lange nach - wir zehren von seiner Freude und leben noch lange aus der Erinnerung.

Unsere Feste sind geplatzt - eines nach dem anderen im letzten Jahr. Unserer Lebensfreude fällt es immer schwerer, sich durchzusetzen. Wir trinken seit Monaten nur noch Wasser. Ein Wunder ist weit und breit nicht in Sicht - zumindest kein vergleichbares. Unser gesellschaftliches Leben liegt brach, weggesperrt in die Pandemieschublade.

Für Visionen haben wir keine Kraft mehr - und die Verantwortlichen keine Strategie.

Übrig bleibt der Alltag, mit den ewig gleichen Mahnungen, immer neuen Beschränkungen, die alle Freude, alle Wunderhoffnung bleischwer unter sich begraben.

Und den Himmel jeden Tag ein Stückchen mehr vor uns verschließen.

Was also können wir noch tun?

Wie sollen wir dagegen anhoffen?

In Kana ist es soweit: der Wein ist leer - das Fest droht zu platzen.

Und das wäre eine Katastrophe - eine Blamage für den Gastgeber, eine Beleidigung für die Gäste. Streit und Ansehensverlust wären vorprogrammiert, aus der Hoch-Zeit würde ein Tag, den man am liebsten aus der Erinnerung streichen würde.

Für Maria aber kein Grund, in den Panikmodus zu verfallen. Sie hat eine Vision, eine Strategie. Ob sie funktioniert, weiß sie wahrscheinlich nicht. Aber sie versucht es  - sie übernimmt die Verantwortung  - mit Hoffnung und Vertrauen.

Und als lebenspraktische Frau macht sie das Naheliegendste - der Sohn muss ran. Schließlich ist das genau sein Metier. Auch wenn er erst nicht will, keine Lust hat - sie lässt nicht locker. Übergeht seine Bedenken - und setzt sich durch - und Jesus in Bewegung.

Maria macht es uns vor: sie sieht den Ernst der Lage - und hofft dagegen. „Was er euch sagt - das tut“ - so fordert sie die Diener auf.

Sie wendet den Blick nicht ab von der Realität - und schaut trotzdem über deren Grenzen hinaus.

Und das Wunder geschieht:

Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm.

Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.

Jesus reißt den Himmel auf mitten im Alltag - wenn nichts anderes da ist als Wasser, als grauer Einerlei. Dann ist er da. Lässt sich bitten und bewegen. Steht auf, kommt uns entgegen.

Und also wird Wasser zu Wein - das Leben wieder zum Fest.

Der Mangel zur Fülle.

Das passiert aber nicht einfach so - nicht aus sich selbst heraus.

Und nicht aus uns selbst heraus. Sondern darauf, dass Jesus tätig wird, dass Gott wirkt in unserem Leben.

Am Anfang steht die Hoffnung und das Vertrauen - die setzen uns in Gang. Sind unser Antrieb, unser Motor.

Nicht zu irgendwelchen Panikreaktionen. Auch nicht zu blindem Aktionismus.

„Was er euch sagt, das tut“ - das ist die Vorgabe. Denn das ist das Richtige.

Eigentlich ganz einfach - und doch so schwer. Denn die eigene Stimme ist meistens lauter. Dann heißt es: Was ich tue - das sagt er.

Jeder ist überzeugt, das Richtige zu tun, auf die richtige Stimme zu hören.

Und so prallen Meinungen aufeinander, tun sich Gräben auf -- und anstatt die Krise zu bewältigen, anstatt das Wasser zu schöpfen und zusammenzutragen, auf das Wein daraus werden kann, schütten wir auch das letzte Tröpfchen Hoffnung aus.

Was aber hören wir, wenn wir seine Stimme hören?

„Jesus spricht zu ihnen: füllt die Krüge mit Wasser.“ - Nicht zu mir spricht er - alle sind angesprochen. Ich allein kann die Krüge nicht füllen - das geht nur gemeinsam. Keiner hat allein die einzig richtige Lösung - gemeinsam müssen wir daran arbeiten, ausprobieren, zusammenhelfen.

Erst dann können wir schöpfen und das Ergebnis kosten lassen.

Es braucht das ganze Wasser, damit neuer Wein werden kann.

Und es braucht die Erfahrungen, Ängste, Sorgen, Hoffnungen und Ideen von uns allen, dass neues Leben werden kann.

Also hoffe ich - und wünsche mir, dass ich damit nicht alleine bin. Sondern dass viele hoffen - und unsere Stimmen gehört, unseren Visionen Raum gegeben wird.

Ich wünsche mir, dass unsere Politiker genug Hoffnung und Vertrauen haben, sich ihren Visionen zu öffnen - und uns nicht immer wieder neu alle davor zu verschließen.

Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft stark genug sind, unsere Hoffnung nicht ständig durch Angst und Sorge auszubremsen.

Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam mit Zuversicht und Kreativität angehen - gegen Eingrenzung, Absonderung und Vereinsamung.

Ich wünsche mir, dass Jesus unser Wasser immer wieder in Wein verwandelt - und so jeden Tag den Himmel aufreißt.

Auf dass unser Leben ein Fest sei - das nie endet.

AMEN