Palmarum - 28. März 2021

Predigt zu Hebr 12, 1-3

Im Suezkanal hängt ein Schiff fest  - Ziehschlepper versuchen, es zu verschieben und freizubekommen. Der Weg für die anderen Schiffe ist dadurch vielleicht auf Wochen hinaus versperrt. Sie müssen sich jetzt überlegen, ob sich ein Umweg lohnt - 7000 km über das Kap der Guten Hoffnung. Die meisten warten lieber.

Wir alle gehen Wege - jeden Tag. Ganz reelle Wege: zum Arzt, zum Einkaufen, zur Arbeit, zur Schule. Spazierwege, Wanderwege. Und es sind ganz unterschiedliche Wege.

Manche sind leicht zu laufen, die Strecke ist übersichtlich und eben. Andere sind voller Kurven, schlecht überschaubar. Manchmal verlaufen wir uns, landen in einer Sackgasse. Andere Wege sind voller Schlaglöcher und anderer Hindernisse - wir stolpern, fallen, rappeln uns wieder auf - und gehen weiter.

Welchen Weg wir gehen, entscheiden wir an den Kreuzungen - denen der Straßen und denen unseres Lebens. Soll ich heiraten? Soll ich Kinder bekommen? Welche Ausbildung soll ich machen? Was koche ich heute? Was ziehe ich an?

Genau genommen stehen wir jeden vor hundert Entscheidungen - bei einigen stehen wir an echten Kreuzungen, denn sie verändern die Richtung unseres Lebens. Andere führen eher auf kleine Trampelpfade, kleine Abweichungen, die uns aber alle wieder zum Ausgangsweg zurück bringen.

Wege und ihre Kreuzungen - Kreuzwege also - das war das Thema der Konfi-Andachten in der Passionszeit.

Der Kreuzweg Jesu - wo beginnt er? Wie endet er?

Unsere Kreuzwege - unsere Werdegänge. Zeiten und Orte der Entscheidungen. Welche Richtung schlagen wir im Leben ein? Und was bestimmt uns dabei? Welche  Gefühle begleiten uns?

All das ist hier versammelt auf diesen Plakaten.

Dabei haben wir festgestellt, dass es so einiges gibt, von dem abhängt, für welchen Weg wir uns entscheiden. Zeiten der Überlastung - aber auch des Zuspruchs. Momente der Niedergeschlagenheit, aber auch der Freude. All das bestimmt, wohin wir gehen - welche Entscheidungen wir treffen.

Das ist manchmal nicht so einfach - denn oft würde ich im ersten Überschwang des jeweilig vorherrschenden Gefühls einfach drauflos laufen. Ohne zu gucken, wohin der Weg eigentlich geht.

Hauptsache weg! Hauptsache überhaupt irgendwo hin. Hauptsache, irgendwas und irgendwie.

Oft stelle ich dann fest: es wäre besser gewesen, einfach mal abzuwarten. Durchzuschnaufen, innezuhalten - und dann mit Sinn und Verstand und voller Überzeugung umzukehren. Oder auch weiterzugehen.

Weil ich einfach nicht mehr zurück kann, egal, was die Konsequenzen sind. Weil mich irgendetwas, ein innerer roter Faden, eine innere Gewissheit weiter drängt. Ungeduldig, mein Ziel zu erreichen.

Der Predigttext heute bringt das auf den Punkt:

Text lesen

Für Jesus selbst gibt es solche Momente auf seinem Weg. Zeiten, in denen seine Geduld erschöpft ist - und er die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel treibt.

Zeiten voller Angst, wie im Garten Gethsemane. Zeiten voller Zweifel, voller Glaubensangst.

Da ist es hilfreich, sich die „Wolke von Zeugen“ vor Augen zu führen, denn die strotzt nur so von Beispielen, wie sich Menschen an ihren Kreuzungen auf Gottes Wegweiser verlassen:

Da baut einer ein Schiff mitten in der Wüste - glaubt gegen jede Wahrscheinlichkeit an den großen Regen und lässt sich weder von Statistiken noch Modellrechnungen beeindrucken.

Ein anderer lässt alles liegen und stehen, sein altes Leben hinter sich und zieht in die Ferne. Glaubt und hofft gegen jede Risikoanalyse, weil er auf die Zukunft hofft.

Wieder ein anderer irrt jahrzehntelang durch die Wüste, weil Gott ihm Bilder von Milch und Honig malt. In der Sprache unserer Zeit müssten wir sagen: die haben ihren Realitätssinn verloren.

Und nun trägt einer sein Kreuz, „obwohl er hätte Freude haben können“.

Einer, dem der breite, leichte und helle Weg schon bereitet wird. Der einzieht als Superstar, mit Umfrageerbnissen, auf die Söder oder Laschet in ihren kühnsten Träumen nicht zu hoffen wagen.

Wie leicht wäre es da gewesen, einfach geradeaus weiter zu gehen. Und die eine schmale dunkle Abzweigung zu übersehen.

Aber er lässt sich nicht blenden von all der Begeisterung. Er richtet sich nicht nach den Umfragewerten. Es ist ihm egal, ob er zum Heiland des Jahres gewählt wird.

Er schaut nicht auf den roten Teppich und die Palmwedel, die seinen Weg säumen - sondern er hebt den Blick.

Er hat nur Augen für die Dimension Gottes

- weil die Wirklichkeit, in der er lebt, die Wirklichkeit Gottes ist.

Aber trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - ist er nicht weltfremd. Sondern schlägt in Gewissheit der Realität den Weg ein, der diese Realität durchkreuzt. Der in den Tod führt und doch der einzige Weg zum Leben ist.

Manchmal liegt uns dieses Kreuz im Weg. Stellt ein Hindernis dar, das wir gerne umgehen würden. Aber das ist nicht so einfach.

Denn es liegt so quer, dass es nicht verschiebbar ist. Egal, wie viele Ziehschlepper daran herumzerren. Das Kreuz ist nicht aus der Welt zu schaffen - und nicht aus unseren Wegen zu entfernen.

Es hindert uns ein für allemal daran, immer den einfachen Weg zu nehmen. Es macht sich breit, stellt sich quer. Fordert uns heraus, unser Handeln daran zu messen, unseren Glauben daran zu schärfen.

Wenn Andere daran herumzerren, es kleinreden, dann bringt uns das nicht weiter.

Davor stehen zu bleiben und abzuwarten, nützt auch nichts. Das Kreuz bleibt  - und unsere Anfragen daran auch.

Das einzige, was hilft, ist: das Kreuz selbst hochzuheben. Es auf uns zu nehmen, damit wir den Weg weitergehen können. Unsere eigenen Erfahrungen mit dem Kreuz zu machen.

Vielleicht stelle ich dann fest: ich bin noch nicht stark genug. Ich schaffe es nicht. Mein Glaube versetzt keine Berge - und ich bin zu schwach, mein Leben mutig in die Hand zu nehmen.

Dann bleibt mir noch der Umweg - egal, wie lang er ist.

Aber er führt mich über mein Kap der Hoffnung, das besiedelt ist von all denen, die vor mir am Kreuzweg standen - und geglaubt und gehofft und vertraut haben  - nämlich wie ich darauf, dass ich auch jetzt nicht alleine bin. Dass mir auch jetzt Kraft und Hoffnung zukommen, damit ich auf meinem Weg, in meinem Leben nicht matt und mutlos werde.

Gott sei Dank.

Denn sonst wäre mein Leben eine  Todesfalle. Ohne Hoffnung bräche weg, was mich hält und trägt.

Und wenn ich müde bin, dann bleibt da die Hoffnung,

Sie setzt mich immer wieder in Bewegung, ist unstillbar und nimmermüde.

Und der Weg über sie führt mich immer ans Ziel.

Auch wenn es ein Leben lang dauert.

Amen.