Estomihi - 14. Februar 2021

Predigt zu Jesaja 58, 1-9a (Estomihi)

Mittwoch abend - Nachrichten. Mal wieder ein Treffen von Bund und Ländern, mal wieder lange Beratungen, mal wieder neue Beschlüsse - hoheitsvoll von oben verkündet.

Mal wieder: nichts.

Keine Hoffnungen. Keine Perspektiven. Nichts wird besser. Nur die Zahlen.

Hilft aber nichts.

Stattdessen: neue Werte, neue Grenzen, neue Vorgaben. Neue Mauern.

Und in den Sozialforen: neue Verwerfungen.

Die Spirale aus Erschöpfung und Mutlosigkeit hat einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Aussichten: der ewige Kreislauf des ewig Gleichen.

Die Regierenden sind so weit weg - selbst der Protest versinkt im wabernden Sumpf der Hilflosigkeit.

Und das Gefühl der Vergeblichkeit wird übermächtig.

Vielleicht ist es genauso wie damals bei Jesaja (58, 1-5):

Rufe laut, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden! Sie suchen mich täglich und wollen gerne meine Wege wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie wollen, dass Gott ihnen nahe sei. »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst's nicht wissen?«

Auch hier: Erschöpfung bis zum Anschlag.

Das Fasten hat nichts gebracht. Die Einschränkungen im Leben bleiben ohne Resonanz.

Alles Mühen ist vergeblich, aller Verzicht umsonst. Alles bleibt ohne Antwort, ohne die ersehnte Reaktion.

Keine Erleichterung, keine Absolution. Keine Rückkehr zum guten Leben. Keine Rückgabe der eigenen Rechte.

Stattdessen:  neue Ermahnungen, ohne Ansehen der Person, denn: Die Lage ist ernst.

Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat?

Zwei Positionen also, die sich gegenüberstehen.

Auf der einen Seite die Menschen. Die, die fasten. Das einfache Volk.

Die tun, was ihnen aufgetragen ist. Befolgen die Regeln, halten alle Abläufe ein. Alles nach Vorschrift.

Und doch nicht genug.

Denn auf der anderen Seite: Gott. Dem das alles nicht reicht. Der mehr will, mehr fordert.

Der uns fordert - ganz, mit Haut und Haar.

Dem Äußerlichkeiten nicht reichen.

Der das Opfer nicht will - wenn wir nicht uns selbst gleich mitopfern. Unseren Lebensstil, unsere Ansprüche.

Halbherzig ist alles, was er bekommt - aber aus vollem Herzen möchte er geliebt werden. Ohne Einschränkung.

Lippenbekenntnisse reichen nicht aus.

Seine Gerechtigkeit hängt an unserem sozialen Verantwortungsgefühl:

Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten.

Klare Vorgaben also: Auf die Einstellung kommt es an. Richte dein Leben am Nächsten aus - verzichte aus Liebe am Nächsten. Schränke dich ein, damit dein Nächster frei sein kann. Dann klappt das auch mit der Reaktion und du bekommst die ersehnte Antwort.

Das äußerliche Fasten alleine trägt nichts aus.

Anders als bei uns. Eigentlich ist es bei uns nämlich gerade umgekehrt. Denn da reichen schon die äußeren Handlungen, das, was ich tue - oder besser: was ich unterlasse. Wir sehen es an den Zahlen. Die Infektionen gehen zurück.

Die innere Einstellung ist dafür eigentlich völlig unerheblich.

Oder vielleicht doch nicht?

Die Zahlen gehen nach unten - aber die gewünschte Antwort stellt sich nicht ein. Ein Ende des Fastens ist nicht in Sicht - und statt Wohlgefallen hören wir immer noch: Es reicht nicht.

Und ich merke: es reicht vielleicht nicht - aber mir reicht es. Ich will nicht mehr. Ich hadere und zanke bei jedem Einkauf, weil ich sie nicht mehr sehen kann, die Maske.

Ich lasse den Kopf hängen bei jeder Nachrichtenmeldungen, weil sie mir wieder ein Stück Hoffnung nimmt.

Ich kleide mich jeden Tag in Sack und Asche, weil es gar keine Rolle mehr spielt, was ich anhabe - es sieht mich ja ohnehin niemand.

Ich definiere mein Leben nur noch durch Äußerlichkeiten - mache seine Qualität davon abhängig, was und wieviel ich darf oder eben nicht.

Kein Wunder, dass das Leben immer schlechter wird.

Dabei habe ich das doch gar nicht nötig. Denn die Antwort, auf die es ankommt, ist ja nicht die hoheitsvolle Antwort von Herrn Söder oder Frau Merkel. Die Antwort, an der mein Leben hängt, die habe ich, die haben wir ja schon längst bekommen.

Sozusagen vorauseilend und bedingungslos.

Denn Gott reichen Äußerlichkeiten nicht aus.

Auch nicht die seines Wortes.

Also hat er es zum Leben gebracht - in die Welt gesetzt und unserer Gnade ausgeliefert. Auf Gedeih und Verderb.

Hat seine Liebe gegen unseren Tod gesetzt - und auf sein Recht verzichtet, damit wir gerecht werden.

Hat an uns geglaubt, damit wir allein durch Glauben leben - ohne Äußerlichkeiten.

Das ist seine Antwort.

Und die gilt immer - egal, was und wieviel wir gerade dürfen oder nicht. Darauf muss keiner von uns verzichten.

Zu viele Äußerlichkeiten machen mich manchmal blind und taub für diese Antwort. Dann verschließe ich meine Augen und Ohren davor und beharre darauf, dass Gott nur dort ist, wo mein Leben äußerlich gelingt.

Dann sitze ich eine Zeitlang am Wegrand - und warte.

Auf neue Perspektiven. Voller Hoffnung und neuem Mut.

Denn ich weiß, dass einer kommt, der mir die Augen öffnet. Mich Gott in meinem Leben sehen lässt. Mich seine Antwort wieder hören lässt.

Und mir sagt: Dein Glaube hat dir geholfen.

Amen.