Kantate - 2. Mai

Predigt zu Lk 19, 37-40 (Kantate 21)

 

Heute ist Kantate!

Ein ganzer Tag dem Singen gewidmet.

Singen ist wichtig - nicht nur für die eigene Seele, das eigene Aufblühen. Wir haben es in der Lesung ja gerade gehört: „Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den Herrn lobte - da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des Herrn.“

 

Wo Gott ist, da singen Menschen. Und heißen ihn damit willkommen.

Wo Menschen singen, da ist Gott.

Spürbar und erfahrbar. Und füllt uns aus mit seiner Gegenwart.

Im Singen begegnen sich Gott und Mensch.

So wie auch bei Jesu Einzug nach Jerusalem:

 

Als er nun hinzog, breiteten sie ihre Kleider auf dem Weg. Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten und sprachen: „Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“

Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: „Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“

 

Kantate, singt!

Wie gerne würden wir das tun!

Endlich wieder. Gemeinsam mit Millionen anderer Menschen.

Singen macht etwas mit uns. Es begeistert. Es stärkt und kräftig. Es macht froh und leicht - und diese Freude und Leichtigkeit nehmen wir mit nach jeder Chorprobe, nach jedem Gottesdienst, nach jedem Singen am Lagerfeuer.

Singen macht gute Laune - und erhebt die Seele.

Freude, Begeisterung, Liebe, Trauer, Klage – Alles, was wir empfinden, findet im Singen seinen Ausdruck.

Statt dessen: Singen verboten.

Und ich merke, wie ich innerlich immer mehr ein bisschen erstarre. Sozusagen versteinere.

Das, was mich leicht macht, fehlt - meine Seele wird schwer. Und sinkt auf den Grund.

 

Also beneide ich die Jünger ein bisschen.

Denn die dürfen singen - also tun sie es. Lautstark auf den Straßen der Stadt.

In aller Öffentlichkeit.

Sie zeigen ihre Freude mit dem besten, dem eindrücklichsten Mittel, das sie kennen. Ihre Freude kommt von innen, ihr Herz quillt über und es sprudelt nur so aus ihnen heraus: Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!

 

Ehre sei Gott in der Höhe - und Friede auf Erden … so klingt es an Weihnachten über die Felder, gesungen von den himmlischen Heerscharen.

Friede auf Erden - das ist die Hoffnung, die uns mit der Geburt des Kindes geschenkt wird.

Friede im Himmel - das ist die Realität, die die Jünger lauthals verkünden.

Sie sind begeistert - und singen den Frieden herbei, den sie selbst bei Jesus erleben.

Und schleudern mit ihrem Singen den Mächtigen die Wahrheit an den Kopf:

 

Friede ist im Himmel - und nur da. Nicht auf der Erde.

Noch nicht.

Aber er kommt - in diesem Menschen, der da einzieht.

In dem, was er mitbringt: an Leben, an Heilung und Trost. An Vergebung.

An Veränderung. An neuer Freiheit.

 

Die Münder der Pharisäer bleiben verschlossen. Ihre Herzen sind zu. Sie stimmen nicht mit ein in den Lobgesang.

Sie wollen die Wahrheit nicht hören - denn die Wahrheit ist gefährlich.

Singen für den Frieden - das bringt die Ordnung ins Wanken.

Ihre Ordnung.

Also: Singen verboten.

 

Doch Jesus macht deutlich: Das Schweigen ändert nichts.

Die Wahrheit hängt nicht am Singen - das Singen verkündet sie nur.

Das Singen gibt Hoffnung in Zeiten des Umbruchs. Und Mut auf dem Weg in die Veränderung.

Wenn gesungen wird, ist Raum für lautes Leben.

Verstummt unser Singen - dann werden wir wie Steine. Schwer und rau.

Versinken auf den Grund.

Und uns bleibt nur das Krächzen und Kratzen des Todes.

 

So nämlich steht es im Text: krazein - die Steine schreien. Sie rufen nicht einfach nur laut. Sie schreien nicht einfach nur lärmend herum.

Krazein ist ein besonderes Schreien, lautmalerisch. Es kratzt und krächzt.

Es steht immer da, wo Worte sekundär werden. Da, wo die Stimme bricht, das Laute vergeht und nur ein Krächzen übrig bleibt. Krazein steht immer da, wo es um Leben und Tod geht.

Immer da, wo wir zu Gott schreien in unserer Not - weil uns die Stimme im Leben versagt.

 

Ein solches Schreien lässt keine Zeit.

Es lässt sich nicht verdrängen auf morgen - lässt keine Zeit zum Überlegen.

Wer so schreit, hängt nur noch mit seidenem Faden am Leben - und nimmt Gott und Mensch in die Pflicht.

 

Es gibt viele Orte, an denen das Leben zum Himmel schreien.

Orte, an denen kein Friede ist auf Erden.

An denen Trauer und Entsetzen uns jede Sprache verschlagen.

An denen Angst die Kehle zuschnürt.

 

Dann bitte ich Gott darum, dass das Singen zurückkehrt.

Und seine Nähe uns neue Noten schreibt.

Dass wir singen können gegen die Gefahr - und so unsere Angst verlieren.

Dass wir singen dürfen gegen die Trauer - und so wieder lieben können.

Dass wir singen werden für neues Leben - und unsere Lieder klingen zum Steinerweichen.

 

Amen.