Karfreitag - 2. April 2021

Predigt zu Jes 52, 13-15; 53, 1-12 (Karfreitag 21)

 

Text lesen

 

Die Welt ertrug ihn nicht.

Herbergen, Häuser und Herzen blieben verschlossen.

Hinausgedrängt aus unserer Mitte,

in der Kälte des Randes ist er geboren.

Hinausgedrängt aus unserer Mitte,

in der Einsamkeit der Menge ist er gestorben.

 

Er trug unsere Krankheit

und unsere Schmerzen hat er  auf sich geladen

Wie hielten ihn für den, der geplagt und von Gott verlassen wäre.

Doch es ist um unserer Missetat willen verwundet

und zerschlagen um unserer Sünde willen.

 

Doch dazwischen:

Jahre des Lichts, des Heils, der Heilung.

Wunderjahre.

Brot für die Welt.

Caritas - Liebe für den Nächsten.

Misereor - Barmherzigkeit für den in Not.

 

So ist sein Leben.

Doch am Ende bleiben zwei Balken, drei Nägel -

Ein Riss in der Welt.

Und die unerträgliche Erkenntnis: Die Bosheit ist mächtig.

Der Egoismus unbezähmbar.

Die Macht des Todes ist riesig. Nicht nur wir kommen an unsere Grenzen. Auch Gott kommt an seine Grenzen. Es geht Gott ans Leben.

 

Heute wird es offensichtlich: Gott ist verwundbar.

Und sein Leben ändert daran nichts.

Unser Leben ändert daran nichts.

Auch wir sind verwundbar.

Möchten dem Leid aus dem Weg gehen, es unterdrücken, kleinreden, leugnen.

Feiern lieber Ostern als Karfreitag.

Denn unsere Verwundbarkeit ist schwer zu ertragen.

 

Er trug unsere Krankheit

und unsere Schmerzen hat er  auf sich geladen

Wie hielten ihn für den, der geplagt und von Gott verlassen wäre.

Doch es ist um unserer Missetat willen verwundet

und zerschlagen um unserer Sünde willen.

 

Das ist die Wahrheit.

In Wahrheit habe ich meinen Beruf satt. In Wahrheit bin ich einsam. In Wahrheit geht es mir nicht gut. In Wahrheit bin ich ganz anders.

In Wahrheit kann ich mein Leben nicht ertragen.

In Wahrheit kann die Wahrheit nicht ertragen.

So gehe ich ihr aus dem Weg. Bis zur Selbstverleugnung glücklich. Bis zur Vereinsamung zufrieden. Bis zum Selbstbetrug erfolgreich.

Damit mein Leid den anderen nicht zum Anstoß wird.

 

Er trug unsere Krankheit

und unsere Schmerzen hat er  auf sich geladen

Wie hielten ihn für den, der geplagt und von Gott verlassen wäre.

Doch es ist um unserer Missetat willen verwundet

und zerschlagen um unserer Sünde willen.

Das Kreuz wird immer zum Anstoß.

An ihm hängt der verurteilte Verbrecher. Der ausgestoßene Aufrührer. Ein Geprügelter, Gefolterter - verraten und verkauft.

Er ist der Verachtetste und Unwerteste. Einer, den man nicht anschaut.

Einer, der Luft für uns ist. Zu dem wir sagen: Du bist für mich das Letzte.

So einer ist mein Gott.

Das ist die Wahrheit.

 

Meine Lebenslügen haben sie verstellt, diese Wahrheit.

Doch jetzt bröckelt mein Wunschbild von Gott.

Und zum Vorschein kommt die Wahrheit:

Gott ist Mensch geworden - wie wir.

Er ist unser Ebenbild geworden, damit wir zum Ebenbilde Gottes werden können.

Er lässt sich ausstellen vor der Welt, damit wir im Schutz der Dunkelheit ins Leben zurückkehren können.

Er stirbt von Gott und der Welt verlassen, damit wir nicht länger von Gott getrennt sind.

Er durchleidet den Tod, dass wir leben.

 

Das ist die Wahrheit.

 

Amen.