Sexagesimä - 7. Februar 2021

Predigt zu Lk 8, 4-15

Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.

So ein zweischneidiges Schwert ist ja eigentlich eine tolle Sache:

Auf zwei Seiten geschliffen - das heißt, ich kann über Vorhand und Rückhand gleich scharf kämpfen. Und wenn die eine Seite stumpf ist - dann dreh ich das Ding einfach um und kämpfe weiter.

Eine feine Sache - wenn man Waffen mag.

Aber wie jedes zweischneidige Schwert hat auch eine solche Zuschreibung zwei Seiten - ist eben zweischneidig.

Es gibt eine Menge von zweischneidigen Worten - Menschenworte. Worte voller Kraft und Zuspruch - die aber bei genauem Hinhören auch völlig anders klingen können. Worte mit zwei Seiten - einer ausgesprochenen und einer durchklingenden (absichtlich oder unabsichtlich):

Schön, dass Sie pünktlich kommen konnten - (sonst halten Sie ja nicht so viel von Pünktlichkeit.)

Ach, bist du wieder schwanger? Wann ist es denn soweit? - (Du hast ja ganz schön zugenommen.)

Du hast ja eine schöne Schrift - wie in einem dieser alten Briefe.   -  (Deine ist genauso unleserlich.)

So ein Hund ist doch eine gute Sache - der bringt einen ja öfter am Tag mal an die frische Luft.    -     (Offensichtlich hast du ja auch sonst nicht Besseres zu tun)

Oder das Lieblingswort meines Hebräischlehrers an der Uni bei der Abfrage: Da war schon viel Schönes bei.

Menschenworte also - die zweischneidig sind. Vergiftetes Lob bringen oder versteckte Kritik.

Und Gottes Wort? Ist es nicht immer ein Wort von Gerechtigkeit und Nächstenliebe?

Das aufbaut und stärkt?

Im Lukasevangelium im 8. Kapitel erzählt Jesus dazu folgendes Gleichnis:

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.  Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's.  Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Dies bedeutet aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes.

Auch wenn das klingt wie ein Erfahrungsbericht aus meinem eigenen Garten, so ist doch klar, dass Jesus hier nicht über die Aussaat referiert - sondern beispielhaft erzählt, wie das funktioniert mit der Verbreitung von Gottes Wort.

Und damit wir es wirklich alle auch verstehen, liefert Jesus dankenswerterweise seine Auslegung gleich mit:

Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden.

Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.

Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife.

Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Ein schöner Zuspruch - aber zugleich auch Anspruch.

Denn was er sagt - das stellt mich in Frage - - uns - als Hörer des Wortes.

Denn es wird klar: Das Wort wird gestreut, verkündet, fällt hinein in uns - und doch ist seine Wirkung kein Automatismus.

Das Hören alleine reicht nicht aus.

Ich muss mich verhalten zu dem, was ich höre.

Es reicht nicht, am Weg zu stehen wie ein unbeteiligter Zuschauer. Es reicht nicht, ein passiver Zuhörer zu sein. Denn dann reicht jede Anfechtung, jeder Zweifel, jeder skeptische Anfrage von außen an mich - und alles, was ich gehört habe, ist weg. Verliert seine Wirkung.

Stattdessen muss ich dem Wort und mir Zeit geben. Zum Kennenlernen. Zum Ineinanderwachsen. Damit es Wurzeln schlagen kann und ich Kraft aus diesen Wurzeln ziehe.

Und ich muss lernen, unter dem Kram meines Lebens nach dem Wort zu suchen. Darf seine Triebe nicht zuschütten mit meinem Sorgen, meinen Wichtigkeiten. Sondern bin gehalten, in dem, was mich beschäftigt, Platz zu machen, mein Eigenes ein bisschen auf die Seite zu schieben - damit ich hören kann, was Gott dazu zu sagen hat.

Die eine Seite von Gottes Wort ist also, dass es Frucht bringt. Dass es mein Leben verändert. Dass es mich verändert.

Auf der anderen Seite aber steht seine Aufforderung. Du musst mithelfen. Du kannst dich nicht im Hören ausruhen. Das Wort Gottes ist kein Podcast, kein Hörspiel mit Spannungsbogen und Happy End.

Das Wort Gottes durchdringt mich, scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne meines Herzens.

Es schneidet tatsächlich schärfer als jedes zweischneidige Schwert - denn es wird nie stumpf, auf keiner Seite.

Und es sagt mir in diesem Gleichnis: Du bist der Fels, auf dem ich keine Wurzeln schlagen kann. Du bist wie die Dornen, die das Wort ersticken, weil du allem anderen im Leben mehr Raum einräumst.

Es sagt uns:

Wir sind die, die hören.

Wir sind die, die ihre Ohren verschließen und leben, als hätten wir nicht gehört.

Also gilt:

Wer Ohren hat zu hören - der höre!

Und richte sein Leben aus nach dem, was er hört.

Und wer richtig hört - mit offenen Ohren - der lasse dem einen Wort viele Taten folgen, die Gott in unserem Leben zum Reifen und Blühen bringen.

Wir können Gott sehen und spüren  in so vielen kleinen Alltagsblüten:

in dem Jugendlichen, der hilft, in der Quarantäne den Hund auszuführen. In der Nachbarin, die regelmäßig die Einkäufe miterledigt. In dem Ehemann, der jahrelang seine kranke Frau zuhause pflegt und versorgt. In der Tochter, die all ihre Wochenenden hergibt, damit die Mutter nicht immer alleine zuhause sitzen muss. In der ersten großen Liebe, die uns begegnet. In kleinen Gesprächen am Gartenzaun, die zeigen: Ich nehme noch teil am Leben, weil ich dem anderen noch wichtig bin.

In all den vielen Auszeiten, die uns Kraft schenken und Erholung.

All das sind kleine Blüten, die das Wort Gottes in unserem Leben treibt - weil es Menschen gibt, die dem Wort ihre Taten folgen lassen.

Und all diese kleinen und großen Blüten sind der Dünger für unseren Boden - damit werden wir gepflegt und unsere Seele ernährt - damit wir gutes Land werden und Frucht bringen in Geduld - und selbst Blüten des Wortes verschenken können an andere.

Am Weg zu stehen und zu hören - ist also nur der erste Schritt. Eine notwendige Voraussetzung - aber keine hinreichende. Dem einen Wort muss ich mit meinem Tun folgen, mit meinem Leben und mit meinen Worten.

Dann wird das auch was mit dem Fruchtbringen.

Amen.