20.02.2022 - Sexagesimä

Predigt zu Hebr 4, 12-13 (Sexuagesimä)

 In der vergangenen Woche habe ich wieder gehört, wie wichtig Feedback ist.

Wir sollen unsere Feedback-Kultur fördern, heißt es in der Arbeitswelt. Regelmäßig in Mitarbeiterjahresgesprächen. Oder anlassbezogen, wenn es eben einen Anlass gibt.

Früher hieß das Lob oder Kritik. Heute heißt es Feedback. Ich melde dir zurück, wie ich dich wahrnehme, bei dem, was du tust - und wie ich mich dabei fühle.

Es heißt also nicht mehr: Du neigst manchmal zum Übertreiben.  Sondern: ich nehme dich bei dem, was du tust, als sehr engagiert wahr.

Das große ABER folgt dann auf dem Fuße.

 

Feedback soll wertschätzend sein. Eben nicht nur Kritik - sondern konstruktive Kritik. Kritik, die zeigt, dass ich auch das andere sehe. Das, was gut läuft. Das, was du gut kannst.

Es braucht eine Menge Worte für Feedback.

 

Worte bestimmen unser Leben.

Und es gibt eine Menge Worte.

Geflügelte Worte - die immer wieder in Gespräche eingestreut werden und auf größere Zusammenhänge verweisen.

Kleine, beiläufige Worte - ein: übrigens, ich mag dich. Ein: a propos, weil wir gerade davon sprechen. Sie können große Wirkung entfalten.

Dann gibt es die großen Worte. Voller Pathos und Versprechen. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen. Mit uns wird es keine Impfpflicht geben. Sie wollen, dass man ihnen glaubt - und werden kurz darauf widerlegt.

Es  gibt die Hassworte - Drohungen in den sozialen Medien, auf Demonstrationen, an Landesgrenzen. Sie schmerzen, verletzen. Sie ängstigen - und werden stärker mit der Angst.

 

Dann sind da die Zeitgeist-Worte. Die uns den Sinn für Diversity wecken sollen, damit wir anderen mit Achtsamkeit begegnen. Sie werden schnell zu Containerbegriffen - beliebig zu füllen von jedermann. Sie tun niemandem weh - und bewirken nichts.

Und es gibt die Schwert-Worte. Sie kritisieren, verurteilen, machen verächtlich. Sie hinterlassen keine klaffenden Wunden - aber viele kleine. Die Verletzungen, die sie schlagen, fallen nicht sofort auf - deswegen gibt es zu viele davon.

 

Auch Gott spricht Schwertworte - wir haben es vorhin gehört.

Einige von ihnen stehen beim Propheten Hesekiel:

(Hesekiel 2 - 3, 3):

Und er sprach zu mir: „Du Menschenkind, stelle dich auf deine Füße, so will ich mit dir reden.“

Und als er so mit mir redete, kam der Geist in mich und stellte mich auf meine Füße, und ich hörte dem zu, der mit mir redete. Und er sprach zu mir:

„Die Menschen, zu denen ich dich sende, haben harte Köpfe und verstockte Herzen. Zu denen sollst du sagen: »So spricht Gott der HERR!« Und du, Menschenkind, sollst dich vor ihnen nicht fürchten noch vor ihren Worten fürchten. Es sind wohl widerspenstige und stachlige Dornen um dich, und du wohnst unter Skorpionen; aber du sollst dich nicht fürchten vor ihren Worten und dich vor ihrem Angesicht nicht entsetzen – denn sie sind ein Haus des Widerspruchs –,  sondern du sollst ihnen meine Worte sagen, sie gehorchen oder lassen es; denn sie sind ein Haus des Widerspruchs.  

Aber du, Menschenkind, höre, was ich dir sage, und widersprich nicht wie das Haus des Widerspruchs. Tu deinen Mund auf und iss, was ich dir geben werde.“

Und ich sah, und siehe, da war eine Hand gegen mich ausgestreckt, die hielt eine Schriftrolle. Die breitete sie aus vor mir, und sie war außen und innen beschrieben, und darin stand geschrieben Klage, Ach und Weh.

Und er sprach zu mir: „Du Menschenkind, iss, was du vor dir hast! Iss diese Schriftrolle und geh hin und rede zum Hause Israel!

Da tat ich meinen Mund auf und er gab mir die Rolle zu essen  und sprach zu mir: „Du Menschenkind, gib deinem Bauch zu essen und fülle dein Inneres mit dieser Schriftrolle, die ich dir gebe.“

Da aß ich sie, und sie war in meinem Munde so süß wie Honig.

 

Friss, oder stirb. Iss, was ich dir geben werde. Und ich gebe dir Klage, Weh und Ach. Kein Widerspruch.

 

 

Das hätte ich gerne anders. Weicher. Rücksichtsvoller. Liebevoller.

Aber Gottes Wort ist nicht weich.

Und es nimmt keine Rücksicht.

Sondern es ist radikal. Denn es packt mich bei meinen Wurzeln: Als Kind Gottes. Als von ihm geschaffener Mensch.

 

Es ist kein  geflügeltes Wort, das im Vorbeigehen über mich hinwegstreift.

Es ist nicht gefüllt von Zeitgeist, sondern von Geisteskraft. Kein Containerwort, das ich beliebig verstehen und befolgen kann. Es ist klar und deutlich und eindeutig: Zeichen, dass Gott achtsam ist auf mich - und Ausdruck seiner eigenen Diversität

Denn Gottes Wort schwebt nicht beiläufig über uns - es lebt in Jesus Christus mitten unter uns. „Jesus Christus ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. So formuliert es 1934 die Barmer Theologische Erklärung.

 

Iss, was ich dir gebe. Kein Widerspruch.

 

Das ist nicht weich. Nicht rücksichtsvoll.

Das ist das Gesetz und der Anspruch.

 

Aber dabei bleibt es nicht.

Dieses eine Wort ist ein wahrhaft großes Wort. Es verspricht viel - aber nichts, was es nicht hält: Du sollst dich nicht fürchten - denn ein Leben mit mir ist süß wie Honig.

Anspruch und Zuspruch. Rettung und Richtwort. Anklage und Freispruch.

Nicht mehr - und nicht weniger.

Das ist die gute Nachricht.

 

Gott belässt es nicht beim Reden. Er gibt uns sein Feedback, indem er selbst Mensch wird.

Er lebt mit uns - unter uns. Ein schöneres Lob gibt es nicht.

Er ist gekommen, die Sünder zu rufen - nicht die Gerechten. Eine deutlichere Kritik gibt es nicht.

Er leidet durch uns - stirbt für uns.

Eine größere Liebe hat niemand.

Amen