Palmsonntag - 8. April 2022

Predigt zu Palmsonntag 22 (Joh 12, 12-19; 17, 1-8)

„Es ist doch erstaunlich, wie schwer sich die internationale Gemeinschaft damit tut, Wladimir Putin zu stoppen. Dabei gibt es täglich neue Vorschläge, wie dies ganz einfach zu bewerkstelligen wäre:

Man könnte frieren gegen Putin.

Langsam fahren gegen Putin.

Mehr Apfelwein trinken gegen Putin.

Intensiver gendern gegen Putin - oder sich, wie es Czem Özdemir in die Debatte einbrachte: veganer ernähren gegen Putin.

Dem scheint folgende Überlegung zugrunde zu liegen: Wenn der Diktator im Kreml erst erfährt, dass wir uns lieber einen Pulli mehr anziehen oder sich Czem Özdemir einen pflanzlichen Kaviaraufstrich zubereitet, ohnen einen einzigen Stör aus dem Don zu ziehen, würde er gewiss vom Entsetzen gepackt und seinen Mordtruppen Einhalt gebieten.“

Symbole haben Hochkonjunktur - so zumindest lässt es das Streiflicht der Süddeutschen Zeitung vom letzten Donnerstag vermuten.

Und tätsächlich könnte man die Liste fast schon beliebig erweitern; sogar die katholische Jugend symbolt kräftig vor sich hin und schreibt Gott mit einem Gender* - nur wie sie das aussprechen wollen, haben sie noch nicht endgültig geklärt.

Sogar unser Gesundheitsminister springt auf diesen Zug auf. Erklärt er doch des Nachts in der Runde fröhlich-besorgter Talkshowgäste, seine (einsame) Entscheidung für den Isolationswegfall sende das falsche Signal aus und deswegen kassiere er sie wieder ein.

Darum geht es also. Nicht um fachliche Fragen. Nicht um sinnvoll weitsichtige Entscheidungen, die verschiedene Belange mit einbeziehen. Sondern um die Signalwirkung. Das Symbol muss stimmen - alles andere ist egal.

Symbole haben Hochkonjunktur - und durchaus auch etwas zu sagen. Wir zeigen damit, wofür oder wogegen wir sind.

So wie die Menschen in Jerusalem, die dem neuen König, der da einzieht, nicht nur Palmwedel, sondern sogar ihre Kleider vor die Füße legen. Damit der Weg geebnet wird zu seiner neuen Herrschaft, die sie alle mittragen werden. Er kann sich auf sie stützen und verlassen.

Natürlich nur symbolisch. Ernst gemeint kann das nicht gewesen sein. Denn selten dürfte ein Weg zur Herrschaft  holpriger gewesen sein als der von Jesus ans Kreuz. Und selten war die Menge wankelmütiger als die Bürger von Jerusalem zwischen Palmsonntag und Karfreitag. Von Hosianna bis zum Ruf nach Kreuzigung war es nur ein Katzensprung - über die eigenen Kleider hinweg.

Hauptsache, das Signal hat gestimmt.

Und auf den ersten Blick klingt auch der Predigttext wie eine Abfolge von weiteren Signalen und noch mehr Symbolen:

1 Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen: Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche; 2 so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben.

3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. 5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.

6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. 7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.

8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.

Wir kennen die Geschichte, die tatsächlich folgt. Wir wissen, was sich ereignet in dieser Woche. Aber mit dem, was Jesus da ankündigt, hat das alles nichts zu tun. Reine Symbolik also?

2 so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben?

Der Mensch namens Jesus, von dem wir wissen, hat keine Macht.

Er wird zum Spielball einer symbolbeladenen Politik. Und stirbt an ihren Lügen und falschen Machtspielchen.

5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war?

Der Mensch namens Jesus, von dem wir wissen, wird erniedrigt, geschlagen und ermordet. Sein Kreuz ist das Werkzeug seiner Mörder und es steht wie ein Mahnmal gegen ihre eigene Grausamkeit - und steht bis heute über den Massengräbern unserer Kriege.

Unter Verherrlichung stelle ich mir etwas anderes vor.

Also alles nur symbolisch? Um das richtige Signal an die Überlebenden zu senden, damit noch ein Fünkchen Hoffnung zu retten ist?

Laut Wikipedia ist ein Symbol ein wahrnehmbares Zeichen, das stellvertretend für etwas nicht wahrnehmbares steht.

Es stellt also einen Sachverhalt dar, der sich unserer Wahrnehmung entzieht.

Und genau das ist der berühmte Knackpunkt.

Der Unterschied zwischen unseren Symbolen - und den Zeichen Gottes.

Wir streuen unsere Versprechungen wie Kleiderberge aus - in der Hoffnung, dass niemand darüber gehen möge. Wir rufen Hosianna - im der Hoffnung, dass uns niemand beim Wort nehme. Hinter unseren Signalen ist nichts, was wahrgenommen werden könnte.

Jesus aber - der reitet auf dem Esel - in der Hoffnung, dass die Menschen ihn ernstnehmen als Friedensbringer.

Er verzichtet auf seine Macht - um unsere Machtspielchen als todbringend zu entlarven.

Er lässt sich ermorden - um gegen alle unsere Morde sein Zeichen zu setzen.

Seine Symbolik erschöpft sich nicht in einer Signalwirkung - sie wird zur Realität in seinem Leben, seinen Entscheidungen, seinem Sterben.

Er hat den Worten, die Gott ihm gegeben hat, Taten folgen lassen - damit wir  sie annehmen und wahrhaftig erkennen und glauben.

Das ist die Herrlichkeit, die hinter seinem Zeichen steht.

Die entzieht sich unserer Wahrnehmung - erst einmal. Weil Kreuz und Leid, Ohnmacht und Tod übermächtig sind.

Aber wir kennen die Geschichte. Wir wissen, dass auf den Karfreitag der Ostermorgen folgt. Und der Tod nicht das letzte Wort hat.

Sondern besiegt ist im Zeichen des Kreuzes.

Symbol und Signal stimmen am Kreuz überein. Sind deckungsgleich - und werden zur neuen Wirklichkeit.

Mehr Herrlichkeit geht gar nicht.

Amen.