1. Sonntag nach Trinitatis - 14. Juni

Predigt am 1. Sonntag nach Trinitatis

 

 

„Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben - und sie sollen mein Volk sein“ -

am Sonntag vor Pfingsten war das. Exaudi - höre.

Ich will euch zu neuen Menschen machen - nicht nur äußerlich, sondern von innen heraus. Und ihr sollt eins sein - ein Herz und eine Seele.

 

Heute ist es soweit - heute sind sie sein Volk - sind eins geworden durch den Geist. Wie neugeboren durch die Taufe mit Feuer und Wasser:

 

Text lesen Apg 4, 32-37

 

Heute ist es soweit - heute sind wir  wie neu geboren. Pfingsten hat gewirkt.

 

Alles ist wie neu - das Leben, das Miteinander. „Ich“ bin wie neugeboren - denn ich will nichts für mich, sondern nur für den Anderen.

Mit dem bin ich ein Herz und eine Seele.

Wir schwingen im Gleichklang - von innen heraus.

 

Liebe Gemeinde, ich würde sagen: sie sind verliebt, diese ersten Christen.

Pfingsten hat gewirkt.

Der Geist sie voll erwischt - sie stehen noch immer in seinem Rauschen gefangen, halten sich aneinander fest. Gepackt von seiner Kraft nehmen sie einander wahr als eins mit sich selbst.

Das Wort ward Fleisch und Gottes Liebe ist in Jesus Mensch geworden

Du bist Mensch und also fleischgewordene Liebe.

Was mein ist, ist dein - ich bin dein. Nichts soll uns trennen.

 

Sie stützen einander, halten einander, können voneinander nicht genug bekommen.

Stehen fest umschlungen, vereint im Gleichklang ihrer liebenden Herzen.

Seelenverwandt.

Ein Herz und eine Seele.

Neugeschaffen in Liebe. Neugeboren in einem Geist.

Und die Welt steht für einen Moment lang still.

 

Aber eben nur einen Moment. Einen Augenblick.

Dann dreht sie sich weiter.

Und die Realität holt uns ein.

Der Rausch der Gefühle klingt ab, die erste Verliebtheit lässt nach.

Wir lösen uns aus der Umarmung - und gehen einen Schritt zurück.

Und erkennen plötzlich: Der Andere ist anders als ich.

Ein eigener Menschen - mit eigenem Kopf, eigenem Willen.

Wir sind nicht mehr eins.

 

Jedes Liebespaar steht irgendwann an diesem Punkt.

Das Eigene bricht durch, aus eins mach wieder zwei - und die Herzenseinheit, die Seelenverwandtschaft tritt zurück hinter den Unterschieden.

 

Ist es also utopisch - dieses: ein Herz und eine Seele?

Gibt es nicht überall ein Ekel Alfred, das  uns mit der Nase darauf stößt, wie unrealistisch und weltfremd so ein Anspruch ist?

Von einer tatsächlichen Gütergemeinschaft ganz zu schweigen!

 

Ist die Geschichte also unser moralisches Spiegelbild, in dem wir nur noch den erhobenen Zeigefinger sehen, der uns zeigt:

So solltet ihr leben - Dahin müsst ihr kommen - und wenn ihr es nicht könnt, seid ihr keine echten Christen!

Also strengt euch an!

Fühlt nicht „Ich“ - sondern „Wir“!

Lasst los, was ihr in der Hand habt.

Seid überschwenglich und verschenkt euch.

Sonst verliert ihr Seele und Leben. - Ist das so gedacht?

 

Ich glaube nicht.

Denn die erste Verliebtheit ist nie von Dauer.

Denn wir bleiben nicht wie neugeboren - in keiner Beziehung.

Wir entwickeln uns - wir glauben und zweifeln, wir halten fest und lassen los.

 

Wir erleben kostbare geisterfüllte Momente und spüren doch, dass sie uns Kraft kosten.

Wir nehmen und geben - und sind doch nicht ohne Vorbehalt.

Gemeinde?  -  Ja - aber doch nur hier für uns. Jeder bitte nur um seinen Kirchturm.

Kirche in Deutschland? - Ja, darf schon sein. Aber ich bin nicht mehr verliebt - also bitte ohne mein Geld.

Aktives Leben als Christen? - Ja, eine lebendige Gemeinde ist schon super. Aber wieso soll gerade ich sie wieder beleben?

 

Wir spüren heute in vielen Bereichen, dass die erste frische Verliebtheit vorbei ist. Und trotzdem - glaube ich - wäre es falsch, einen Vergleich zu ziehen zwischen Ist- und Soll-Zustand. Wir heute gegen die damals.

Der lebendige Geist von früher gegen unsere Trägheit heute.

 

Denn auch früher war die Verliebtheit nicht von Dauer.

Es gibt sie auch damals, die Realisten. Die Zyniker. Die Egoisten. Die Zögerer. Die Menschen, die ihre erste Verliebtheit hinter sich gelassen haben - und nur noch die Unterschiede sehen.

In Jerusalem heißen sie Hananias und Saphira - und ihre Geschichte ist doppelt so lang wie der der ersten Liebe.

 

Text lesen Apg 5, 1-11

 

Also doch der moralische Zeigefinger - und richtig schwarze Pädagogik?

 

Ich glaube nicht - denn wenn man genau hinsieht, dann geht es gar nicht um das Geld.

Und auch nicht um einen Zwang zum Geben.

„Hättest du den Acker denn nicht einfach behalten können?“ - niemand hat dich zum Verkauf gezwungen.

Und auch, nachdem du ihn verkauft hattest - „hättest du denn nicht auch da noch tun können, was du wolltest, mit dem Geld?“

Kein Zwang zum Geben - keine erzwungene Hingabe.

Sondern eine, die aus dem Herzen kommt.

Die freiwillig und mit Liebe geschenkt wird. Ohne Vorbehalt.

 

Denn sonst ist die Gemeinschaft zerstört, das eigene Leben kaputt.

Wer Gottes Geist und das von ihm geschenkte neue Leben mit  Zwang leben will - der gibt ihn auf, diesen Geist. Tötet alle Lebendige in sich ab. Ohne Hoffnung auf Rettung.

 

Hananias und Saphira haben versucht, die Liebe zu retten, indem sie Verliebtheit vortäuschen.

Das aber ist der sicherste Beziehungskiller überhaupt.

Und es wäre gar nicht nötig gewesen -

denn die erste Verliebtheit hält sowieso nicht an.

 

Das, was daraus erwächst, ist viel haltbarer - denn das ist die wahre Liebe.

Die hat viele verschiedene Gesichter - so viele, wie es Menschen gibt.

Und sich äußert sich auf viele verschiedene Arten - so viele, wie es Liebende gibt.

Sie gibt - aber sie nimmt auch, was ihr gegeben wird.

Sie verschenkt sich - aber behält auch, was ihr wichtig ist.

Sie trifft jeden auf unterschiedliche Weise - aber sie macht keinen Unterschied zwischen den Menschen.

Die Liebe erträgt jede Vielfalt - sie glaubt alles von Herzen und mit ganzer Seele.

Sie hofft mit aller Überschwenglichkeit auf ewige Dauer und duldet alle Rückschläge und Zweifel.

Nur eines duldet sie nicht -

die Lüge, sie sei noch am Leben;

den Zwang, sie fühlen zu müssen;

die Vortäuschung, sie sei der Grund unseres Handelns und die Grundlage unserer Beziehung.

 

Das überlebt sie nicht.

Dann stirbt sie ab - und wir mit ihr.

 

Heute aber lebt sie  - und wir durch sie und mit ihr. Denn heute sind wir wie neugeboren.

Heute macht Gott uns zu neuen Menschen:

Er gibt uns sein Gesetz in unser Herz - und vertraut uns seine Liebe an.

Er schreibt sein Wort in unseren Sinn - und vertraut uns einander an.

Als Menschen und fleischgewordene Liebe Gottes.

 

Durch ihn sind wir wie ein Liebespaar:

Wir gehen gemeinsam durch alle Höhen und stolpern dabei ab und zu über Ekel Alfred.

Wir gehen gemeinsam durch alle Tiefen und sind manchmal ein Herz und eine Seele.

Wir glauben und zweifeln.

Wir halten einander fest und lassen uns wieder los.

Wir sind geistbeflügelt und von Liebe beseelt - zu Gott und den Menschen.

 

Wir sind sein Volk.

Für immer.

 

Amen.