16. Sonntag nach Trinitatis - 27. September 2020

Predigt zu 2 Tim 1, 7-10 (Konfirmation 2020)

 

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“

Vielleicht habt ihr, haben Sie das noch im Ohr.

Und eigentlich ist damit auch schon alles gesagt - denn was mehr könnten wir euch wünschen für euer neues Leben, das heute beginnt?

Es gibt so viele Dinge im Leben, vor denen wir uns fürchten. Die einen fürchten sich im Dunkeln, die anderen haben Angst, alleine zu sein. Viele haben Angst vor Prüfungen, vor Spinnen oder anderen Tieren. Manche fürchten sich davor, ohne Make up auf die Straße zu gehen, andere fürchten sich vor allzuviel Aufmerksamkeit.

Die Angst vor der Dunkelheit, vor den eigenen Abgründen.

Die enge Kehle und Sprachlosigkeit vor der nächsten Prüfung. Die zögerlichen Schritte, der herabgesenkte Kopf, um dem Mitschüler, dem Chef nicht zu begegnen. Angst vor Krankheit, vor dem Tod. Angst davor, dem Leben unvorbereitet gegenüber zu stehen. Angst davor, alles zu verlieren, was mein Leben ausmacht.

Wir haben das Leben nicht ohne Angst.

Und es ist so einfach, dieser Furcht nachzugeben. Sich aus lauter vor dem Leben wegzuducken, sich kleinzumachen und in sich zu verkriechen. Als kleine Kinder gehen wir zu den Eltern, kuscheln uns an sie. Lassen uns trösten und in den Arm nehmen - und die Angst wird kleiner - oder verschwindet ganz.

Aber ein Geist der Furcht - das ist schon eine Nummer größer als einfach nur ein bisschen Angst.

Geist der Furcht - das heißt, die Angst bestimmt mich - und macht mich hilflos. Dann geht es gar nicht mehr nur um die eine Sache, sondern darum, dass mein ganzes Leben, mein ganzes Ich von Angst bestimmt ist.

Es gibt ihn, diesen Geist der Furcht - in der Schule. Wenn ich ständig in Angst vor dem nächsten blöden Spruch, dem nächsten Mobbingangriff lebe. In der eigenen Klasse, wenn ich immer nur befürchten muss, ausgelacht zu werden, weil ich anders bin, mich nicht der Masse anpasse. Wenn ich anders angezogen bin, anders aussehe, die falsche Musik höre oder nicht sportlich genug bin.

Es gibt ihn, den Geist der Furcht. Wenn in der eigenen Familie Streit an der Tagesordnung ist, wenn nichts gut genug ist, was ich tue. Wenn ich nicht gehört werde, weil ich zu leise bin.

Wenn sich auf der Arbeit nur der durchsetzt, der die Ellbogen ausfährt.

Und schließlich gibt es den Geist der Furcht, wenn es um den Tod geht, der mir Angst macht. Dem ich aber nicht ausweichen kann - und mit dem ich mich auseinandersetzen muss.

Angst essen Seele auf - so ist es mit einem Geist der Furcht.

Dieser Geist macht nicht frei, sondern er lähmt - seine Angst bindet meine Kraft, sie unterdrückt meine Liebe und raubt mir mein Urteilsvermögen. Sie schnürt mir die Kehle zu, verkrampft mich, ich bin in mir verkrümmt und blind für meine Handlungsspielräume, für meine Freiheiten. Da hilft auch kein: Hab doch keine Angst - alles wird wieder gut. Denn nichts Gutes kann wachsen in einer Welt, in der nur noch die Furcht regiert.

Deswegen ist es so wichtig, was wir heute hören:  „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“

Sein Geist ist einer, der uns nicht lähmt, sondern stark macht. Gegen alle Hilflosigkeit. Nicht: da kann ich sowieso nichts machen - sondern: Lass es uns einfach versuchen. Und eine Lösung suchen, einen Ausweg finden.

Dieser Geist gibt uns den Mut, zu lieben und uns lieben zu lassen. Auch wenn es ein bisschen peinlich ist, zu sagen: Ich liebe dich. Peinlich, immer noch gerne mit Mama oder Papa zu kuscheln. Aber diese Liebe ist es, die uns hält und trägt, wenn die Furcht dabei ist, uns den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Und dieser Geist lässt uns nicht kopflos vor der Angst davon rennen, sondern uns hilft, sich ihr entgegen zu stemmen. Ihr stand zu halten. Zur Besinnung zu kommen. Der Angst standzuhalten - und auch mal gegen die große Gruppe zu stimmen. Dort „Nein“ zu sagen, wo andere verletzt werden.

Ich wünsche euch, dass euch dieser Geist in eurem Leben begleitet - dass ihr stark seid für die Schwachen, mutig an, liebt gegen die Furcht und euch immer darauf besinnt, dass Gott uns nicht gegeben hat den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Amen.