Montag, 27. April 2020

„Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu.“ (Prediger 9, 10)

Kennen Sie das? Wenn plötzlich ein Geruch von irgendwoher in die Nase fällt, eine Melodie in den Ohren klingt - und damit eine ganze Welt vor den Augen zum Leben erwacht?

Wenn Bilder vor Augen stehen, die die Vergangenheit zum Klingen bringen?

So geht es mir am vergangenen Samstag - als ich am Morgen den Text von Renate Dreßler hier auf Facebook einstelle. Sie hat ihn mir schon vor einigen Tagen geschickt, aber jetzt sehe ich zum ersten Mal das Video dazu. Höre zum ersten Mal seit langem den gesungenen Segen. Sehe zum ersten Mal seit gefühlt einem halben Leben eine volle Kirche - gefüllt nicht mit ängstlichen Gesichtern, sondern mit Augen voller Freude, mit lächelndem Mund und weiten Herzen. Schauen Sie doch einfach nochmal rein in den Film.

https://www.youtube.com/watch?v=xNfpyPMhrSI

Diesem Ansturm auf meine Sinne stehe ich völlig unvorbereitet gegenüber - und es trifft mich ins Herz. Mir schießen Tränen in die Augen, schlimmer als bei jeder Liebesschnulze. Denn dieser Film zeigt, wie es war, in unserer Kirche: lebendig, voller Lebensfreude. Sehr selten so voll - leider; aber fast immer mit diesem besonderen Glänzen in den Augen, dem Lachen auf den Gesichtern.

Dieser Film zeigt, wie es noch lange nicht sein wird. Statt vollen Bänken - einzeln versprengte Besucher. Unsicher, ob sie nicht vielleicht doch lieber zu Hause hätten bleiben sollen. Ängstlich darauf bedacht, einander nicht zu nahe zu kommen, nur ja alle Regeln einzuhalten.

Gottesdienste, die geprägt sind von Wissen um die Gefahr anstatt von Hoffnung auf Zukunft. Menschen mit Masken, die sie auch vor Gott nicht abnehmen dürfen.

Dieser Film zeigt, was wir verloren haben - und ich stelle mir die Frage, ob wir es irgendwann wiederfinden werden.

Ab Sonntag dürfen in Bayern wieder Gottesdienste stattfinden - unter strengen Auflagen. Lange Wochen habe ich auf diesen Moment gewartet - um jetzt verzagt vor dieser Aufgabe zu stehen. Wie sollen solche Feiern gelingen? Sind es überhaupt Feiern - oder nicht eher Trauerspiele?

Da hilft mir ein Blick auf die heutige Losung: Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu. Aber das heißt auch: Du kannst nur das tun, was deine Kraft dir erlaubt. Alles andere liegt nicht an dir. Du kannst nur eines tun: sei nicht träge in dem, was du tun sollst, sondern brennend im Geist - und diene deinem Gott. An dir liegt dein Wollen - an ihm unser Gelingen.

Das hilft - und es tröstet. Denn egal, ob wir Gottesdienst feiern und in welcher Form  - es ist nicht unsere Feier, sondern Gottes Feier. Und egal, ob wir ängstlich sind oder voller Hoffnung - unter uns wirkt sein Geist.

So wächst auch meine Kraft und meine Zuversicht lebt wieder auf. Und ich kann Martin Luther aus voller Überzeugung recht geben, wenn er sagt: „Herr, ich bin ein fauler Esel, darum komme ich zu dir, damit du mir hilfst und mein Herz anzündest.“

Amen.

Stephanie Wegner