Dienstag, 21. April 2020

„Sie zogen Daniel aus der Grube heraus, und man fand keine Verletzung an ihm; denn er hatte seinem Gott vertraut.“ (Daniel 6, 24)

 

Eine der auffälligen Erscheinungen dieser Tage ist es, dass die Nachrichten die eigenen Texte überholen. Kaum habe ich ein paar Worte geschrieben, ploppt eine eine Nachricht von vor 5 Minuten auf und der Text ist - wenn nicht überholt - so doch ein bisschen weniger aktuell.

Das, könnte man meinen, sei nun nicht neu, besonders nicht für die Kirche. Denn dass Kirche der Zeit immer ein bisschen hinterherläuft, ist auch keine neue Weisheit.

Das Thema von heute aber ist nie überholt: Vertrauen.

Ohne Vertrauen läuft nichts im Leben. Unser Vertrauen ist vielfältig gegeben und vielfältig gefordert. Jede Art von Beziehung fordert gegenseitiges Vertrauen, sonst ist sie zum Scheitern verurteilt.

Vertrauen aber ist brüchig und erhält sich nicht von selbst. Der kleinste Missbrauch kann es auf immer schädigen. Und je größer mein Vertrauen vorher war, desto schmerzlicher kann es enttäuscht werden.

Im Moment ist eine Menge Vertrauen von uns gefordert - zueinander, dass wir auf niemanden treffen, der uns Übles will. Der die Abstandsregeln zu unserem Schaden nicht einhält - oder der mich nicht gleicht anzeigt, wenn ich mal ein Schwätzchen mit Abstand beim Spazierengehen halte. Zu unserer Polizei, dass sie ihr Augenmaß nicht verliert. Zu unseren Politikern, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen.

Im Moment habe ich dieses Vertrauen noch - aber es braucht immer wieder neue Nahrung. Entscheidungen, die meine Freiheiten von oben einschränken, brauchen mein inneres Einverständnis, meine Mitwirkung. Und die gebe ich nicht, weil der Gesundheitsminister meinen Obrigkeitsgehorsam lobt oder die Justizministerin verspricht, nach der Krise würden meine liebgewonnenen Freiheiten wieder hergestellt. Im einen Fall sträubt sich alles in mir gegen so ein paternalistisches Bild von mir als mündiger Bürgerin; im anderen Fall meldet sich der mir ebenso liebgewordene Kobold Widerspruch und weist darauf hin, dass meine Freiheit kein Geschenk von Regierungs Gnaden ist, sondern mein mir verfassungsmäßig zustehendes Recht. Die Ausnahme ist also nicht die Freiheit, sondern die Einschränkung derselben. Und der muss ich zustimmen können - weil es im Moment ja nun mal notwendig ist, sie einzuschränken.

Das geht aber nur mit Transparenz und Diskussion. Da hilft es wenig, wenn jeder Diskussionswunsch als gefährlich für die Lockerungen verteufelt wird. Denn diese Angst zeigt mir: mein Vertrauen wird nicht erwidert. Es beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Das ist schade. Und unnötig - denn alle, die ich spreche, sind einer Meinung: Wir müssen da gemeinsam durch - und wir müssen vorsichtig sein. Uns kann man vertrauen - auch wenn wir diskussionsfreudig sind.

Ganz anders läuft das mit dem Vertrauen bei Daniel.

Er vertraut auf seinen Gott - sogar in der Löwengrube. Dieser Gott hat ihn nämlich noch nie enttäuscht. Er hat ihn wohl geprüft, auf die Probe gestellt. In die Fremde geführt und ihm neue Lebensumstände zugemutet. Er hat sogar zugelassen, dass sein Leben gefährdet wird. Aber er hat ihn nie im Stich gelassen.

Und er hat sich das Vertrauen, das Daniel in ihn setzt, nicht mit angsterfüllten Szenarien und Drohungen erzwungen - sondern er hat ihm Träume geschenkt. Voller Hoffnung auf eine lebenswerte und freie Zukunft. Voller Verheißung für ihn und sein Volk. Den Traum vom Leben nach der Einschränkung. Nach der Bedrohung und nach der Gefangenschaft.

Gott hat auch auf Daniel vertraut - dass er seinen Traum teilt, seine Visionen versteht. Und deswegen das Richtige tut. Ohne Zwang und ohne Strafandrohung. Sondern ganz freiwillig.

Damit hat Gott gezeigt: Mir könnt ihr vertrauen - denn ich setze meine Zukunft gegen eure Gegenwart.

Mein Leben für euer Leben.

Dieses Vertrauen gibt mir Sicherheit, soviel wie nötig. Und Freiheit - soviel wie möglich.

Amen.

Stephanie Wegne